Das Versprechen der Ampel-Koalition eines Mindestlohns von 12 Euro soll nun ab Oktober diesen Jahres Realität werden.
Das Versprechen der Ampel-Koalition eines Mindestlohns von 12 Euro soll nun ab Oktober diesen Jahres Realität werden.
Circa 15 % der Beschäftigten in Deutschland – das sind mehr als sechs Millionen Menschen werden dadurch einen höheren Lohn erhalten. Zum Vergleich: von der Einführung des Mindestlohns im Jahr 2015 waren rund 4 Millionen Jobs betroffen. Was genau wird sich nun aber für die betroffenen Arbeitnehemer:innen durch die kommenden Erhöhung ändern? Diese Frage habe ich mit Kim und Alex diskutiert, die ich dafür kürzlich zu einem Interview getroffen habe.
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Kim* arbeitet neben dem Studium Teilzeit in einem Café, das insgesamt 11 Beschäftigte hat. Sie ist dort bereits seit einigen Jahren beschäftigt und verdient daher pro Stunde knapp 1 Euro mehr als ihre Kolleg:innen. Bisher ist ihr noch überhaupt nicht klar, ob sie von der Erhöhung des Mindestlohns ab Oktober tatsächlich profitieren wird. Im Moment geht sie davon aus, dass es für sie keinen allzu großen Unterschied machen wird. Da sie zur Zeit bereits einen Stundenlohn von 11 Euro hat wird sie deutlich weniger von der Erhöhung profitieren als ihre Kolleg:innen, die bisher den derzeitigen gesetzlichen Mindestlohn von knapp 10 Euro pro Stunde erhalten. Jedoch spiegelt dieser Gehaltsunterschied eben auch unterschiedliche Verantwortungen im Betrieb wider. Aus der heutigen Sicht wird es ihrem Chef voraussichtlich nicht möglich sein, ihr ab Oktober weiterhin einen Stundenlohn über dem gesetzlichen Mindestlohn zahlen zu können. Somit wird sich ihre Verantwortung und Mehrarbeit im Betrieb dann nicht mehr in ihrem Stundenlohn niederschlagen. Auch ist Kim eine der wenigen Beschäftigten in dem Café, die nicht geringfügig beschäftigt ist. Somit hat sie im Vergleich zu ihren Kolleg:innen, die keinerlei Sozialabgaben tätigen müssen, bei gleichem Stundenlohn am Ende des Monats tatsächlich ein geringeres Gehalt pro Stunde.
Sie berichtet auch über die eher gedrückte Stimmung an ihrem Arbeitsplatz: Dadurch, dass ihr Chef auf Grund der Corona-Pandemie zusätzliche Ausgaben und gleichzeitig Umsatzeinbrüche zu verbuchen hatte, stellt die kommende Mindestlohnerhöhung voraussichtlich eine starke finanzielle Belastung für das kleine Café dar und wird es somit vor viele neue Herausforderungen stellen. Statistisch zählt Kim zu der Gruppe, die laut einer Studie des WSI der Hans-Böcker-Stiftung am meisten von der Mindestlohnanhebung profitieren werden: weibliche Beschäftigte ohne Tarifbindung, die zurzeit unter 12 Euro pro Stunde verdienen. Individuell wird sie davon aber eher weniger profitieren.
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Alex* ist neben dem Studium als wissenschaftlicher Mitarbeiter ohne Hochschulabschluss an der Universität Potsdam beschäftigt. Im Vergleich zu Kim ist Alex Stelle deutlich sicherer, da sie an einer großen öffentlichen Institution tarifgebunden ist. Anders als Kim macht sich Alex daher wenig Sorgen um die eigene Stelle und sieht zwei mögliche Szenarien für die eigene Anstellung: „gleiche Stunden aber mehr Lohn oder […] weniger Stunden und gleichen Lohn.“ Beides kann er sich persönlich gut vorstellen und er will erst einmal abwarten, wie sein Arbeitgeber das neue Gesetz umsetzen wird.
Der Tarifvertrag für studentische Mitarbeiter:innen im Land Brandenburg läuft im Sommer diesen Jahres aus und muss daher neu verhandelt werden. Zurzeit ist es noch offen, zu welcher Einigung es in Bezug auf den Stundenlohn kommen wird. Alex geht jedoch davon aus, dass dieser über dem gesetzlichen Mindestlohn liegen wird. Alex nennt im Interview aber noch ein weiteres Problem: Gerade für Studierende mit geringfügigen Beschäftigungen ist es sehr wichtig, dass sich eine Erhöhung des Monatsverdiensts ab Oktober 2022 – von derzeit 450 auf voraussichtlich 520 Euro – nicht negativ auf andere Finanzierungsmöglichkeiten auswirkt. Denn speziell die Zuverdienstgrenze beim BAföG müsste auch angehoben werden.
Beide meine Interviewpartner:innen betonten, dass die Erhöhung des Mindestlohns im Oktober wichtig ist und für viele Beschäftigten in Deutschland Vorteile bringen wird. Kim führte hier an, dass gerade für Studierende jeder Euro mehr pro Monat einen großen Unterschied machen kann. Jedoch meint Alex, dass die Erhöhung in erster Linie eine Angleichung an die Inflation der letzten Jahre sei. Und das sei auch dringend erforderlich, da die bisherigen Erhöhungen des Mindestlohns zu niedrig waren, um die inflationsbedingten Mehrkosten des Lebensunterhalts zu kompensieren.
Zurzeit sind noch etliche Details der Umsetzung der Mindestlohnerhöhung nicht geklärt. In meinen Gesprächen mit Alex und Kim wurde schnell deutlich, dass beide das Gefühl haben, nicht genügend darüber informiert zu sein, was genau die Erhöhung für sie im Detail bedeuten wird. Es ist davon auszugehen, dass es der Mehrheit der Betroffenen gerade ähnlich gehen wird.
Diese Lage macht es für viele, die wie Alex und Kim von der Mindestlohnerhöhung betroffen sein werden, schwierig über diesen Zeitraum hinaus zu planen. Für meine Interviewpartner:innen mag diese Ungewissheit zurzeit noch aushaltbar sein, da sie, wie viele Studierende mit Anfang 20 beispielsweise keine pflege- oder schutzbedürftigen Angehörigen haben, die finanziell von ihnen abhängig sind. Für andere Beschäftigte, so meinen beide, ist diese Ungewissheit wahrscheinlich ein größeres Problem. Doch auch die Arbeitgeber: innen, wie z.B. Kims Chef, können zurzeit nur abwarten, bis die Umsetzungspläne vom Gesetzgeber konkretisiert werden und Hilfs- und Informationsangebote für die Situation ab Oktober angepasst werden. Auch bleibt abzuwarten inwiefern Tarifverträge, die bisher unter 12 Euro aber über dem jetzigen Mindestlohn liegen, in den nächsten Monaten angepasst werden.
Nina Magdeburg
* Namen geändert