(Unten gibt es eine Version des Beitrages in einfacher Sprache.) Eine niedrige Arbeitslosenquote ist eines der zentralen Ziele der deutschen Gesellschaftspolitik. Die Beschäftigung von Menschen im erwerbsfähigen Alter führt nicht nur zu ihrer Integration in das Wirtschaftssystem,
(Unten gibt es eine Version des Beitrages in einfacher Sprache.)
Eine niedrige Arbeitslosenquote ist eines der zentralen Ziele der deutschen Gesellschaftspolitik. Die Beschäftigung von Menschen im erwerbsfähigen Alter führt nicht nur zu ihrer Integration in das Wirtschaftssystem, sondern auch zu ihrer sozialen Inklusion in die Gesellschaft. Mit 5,1%, im Dezember 2021, ist die deutsche Arbeitslosigkeit im internationalen Vergleich zwar gering, dies lässt sich allerdings nur auf den ersten Blick als Erfolg einordnen, da sie verschiedene Dinge außer Acht lässt. So ist die Quote für Menschen mit Behinderungen deutlich höher. In den ersten zehn Monaten des Jahres 2021 waren rund 174.000 Menschen mit Behinderung arbeitslos. Das sind rund acht Prozentpunkte mehr als vor der Pandemie. Insgesamt liegt das Inklusionsniveau von Menschen mit Behinderungen auf dem Arbeitsmarkt damit wieder auf dem Stand von 2016. „Das ist ein massiver Rückschritt“, so Prof. Dr. Bert Rürup, Präsident des Handelsblatt Research Institutes, das in Kooperation mit der Aktion Mensch das “Inklusionsbarometer Arbeit 2021” veröffentlichte. Die meisten Menschen mit Behinderungen haben schlichtweg nicht die Möglichkeit, auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt einen Job zu finden. Das liegt unter anderem an der Weigerung von Arbeitgebern, Arbeitsplätze an die Bedürfnisse von Menschen mit Behinderung anzupassen, sowie an den Kapazitäten der Menschen mit Behinderung selbst. Daher hat sich ein alternativer Beschäftigungsmarkt entwickelt: die “Werkstätten für behinderte Menschen” - kurz WfbM. In diesen arbeiten Menschen, die “noch nicht oder nicht wieder auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt beschäftigt werden [können]”, so die Caritas, eine der Trägerinnen der Werkstätten in Deutschland.
Andi Weiland auf Gesellschaftsbilder.de |
Herr Nannen und Herr Thewes sind selbst in Werkstätten beschäftigt und berichteten von ihren positiven Erfahrungen. Laut unserer Interviewpartner*innen ist einer der zentralen Vorteile der Arbeit in Werksstätten die Abwesenheit jeglichen Leistungsdrucks. Des Weiteren bieten sie ein soziales Umfeld, einen geregelten Tagesablauf und eine feste Struktur. Dazu ist der Arbeitsplatz barrierefrei und den jeweiligen Bedürfnissen der Beschäftigten angepasst. Diese Bedingungen sind auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt nur selten zu finden.
Die Wertschätzung unter den Kolleg*innen spiele auch eine große Rolle, so Jürgen Thewes. Durch Missverständnisse und Mobbing habe er sich auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt ausgegrenzt gefühlt. Ähnliche Erfahrungen hat auch Herr Nannen gemacht: „Ich bin [im Jahr] 2000 psychisch erkrankt […] war Drehtürpatient in […] Psychiatrien”. Er musste jedes Jahr mehrere Male in die Klinik, da er psychisch so instabil war, dass er sein Leben “nicht mehr auf die Reihe kriegte”, so Herr Nannen. Nach neun Suizidversuchen in zehn Jahren kam er im Jahr 2009 in die Werkstatt und war seitdem nur noch ein einziges Mal in der Psychiatrie. „Ich kann Ihnen bestätigen, mir hat die Werkstatt das Leben gerettet”, so Herr Nannen im Interview. Und das sei kein Einzelfall. Ãœber die Werkstatt sagt er weiter: „Hier bin ich gut aufgehoben, hier wird der Leistungsdruck von mir genommen, hier kann ich mich aber auch noch entfalten. Ich habe Kollegen, ich habe ein soziales Umfeld, ich habe eine Tagesstruktur. […] Für diese Menschen ist die Werkstatt ein großes Plus. Gerade für die Menschen, die von dem allgemeinen Arbeitsmarkt kommen.“
Andi Weiland, Boehringer Ingelheim auf Gesellschaftsbilder.de |
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Ein wichtiges Ziel von der Politik in Deutsch-Land sind wenig Arbeits-Lose. Arbeit ist nicht nur für das Geld-Verdienen wichtig. Arbeit trägt auch zur sozialen Inklusion bei. Die Arbeits-Losigkeit in Deutsch-Land war im Dezember 2021 5,1 Prozent. Das ist eine kleine Zahl im Vergleich zu anderen Ländern. Trotzdem ist sie nicht wirklich ein Erfolg. Es werden dabei nämlich nicht alle Menschen mitgerechnet. Bei Menschen mit Behinderung ist die Zahl viel höher. In den ersten 10 Monaten vom Jahr 2021 waren ungefähr 174.000 Menschen mit Behinderung ohne Arbeit. Das sind mehr als vor der Pandemie. Das Inklusions-Niveau von Menschen mit Behinderung ist genauso wie im Jahr 2016.
Für die meisten Menschen mit Behinderungen ist es schwer, einen Job auf dem allgemeinen Arbeits-Markt zu kriegen. Gründe dafür sind: Manche Arbeit-Geber sind nicht bereit, den Arbeits-Platz für Menschen mit Behinderung anzupassen. Manche Menschen mit Behinderung haben nicht die Kapazitäten, die auf dem allgemeinen Arbeits-Markt von ihnen erwartet werden. Deshalb gibt es die Werk-Stätten für Menschen mit Behinderungen. Die Abkürzung dafür ist WfbM. In WfbM arbeiten Menschen, die noch nicht oder nicht wieder auf dem allgemeinen Arbeits-Markt arbeiten können.
In WfbM gibt es Werk-Statt-Räte, die sich für die Beschäftigten einsetzen. Sie vertreten ihre Interessen. Es gibt einen Verein der Werk-Statt-Räte e.V. heisst. Dieser Verein ist eine Vereinigung von allen Werk-Statt-Räten in Deutschland. Wir haben mit Hinrich Nannen, Jürgen Thewes und Katrin Rosenbaum gesprochen. Sie sind Vertreter und Vertreterinnen von Werk-Statt-Räte e.V..
Herr Nannen und Herr Thewes arbeiten selber in Werk-Stätten. Sie haben uns von vielen guten Erfahrungen von der Arbeit erzählt. Zum Beispiel finden sie es gut, dass es keinen Leistungs-Druck gibt. In den Werk-Stätten lernen sie andere Menschen kennen. Sie haben deshalb ein soziales Umfeld. Und sie haben eine feste Tages-Struktur. Der Arbeits-Platz ist auch barrierefrei. Alle diese guten Sachen sind auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt nicht so.
Herr Thewes sagt, dass er die Wert-Schätzung unter Kollegen und Kolleginnen wichtig findet. Er hat auch schon auf dem allgemeinen Arbeits-Markt gearbeitet. Da musste er Mobbing erfahren und es gab Miss-Verständnisse. Deshalb hat er sich ausgegrenzt gefühlt. Herr Nannen erzählt uns, dass er im Jahr 2000 eine psychische Krankheit bekommen hat. Er war mehrere Male in der Klinik. Er hat neun Suizid-Versuche in 10 Jahren hinter sich. Im Jahr 2009 hat er angefangen in einer Werk-Statt zu arbeiten. Seitdem war er nur ein einziges Mal in der Klinik. Er sagt: „Ich kann Ihnen bestätigen, MIR hat die Werkstatt das LEBEN gerettet“. Er ist nicht der Einzige, der das findet. Es gibt viele gute Sachen an der Werkstatt findet Herr Nannen.
Werk-Stätten sind ein Auffang-Netz für viele Menschen. Für Menschen die mit dem Wett-Bewerb und dem Leistungs-Druck auf dem allgemeinen Arbeits-Markt nicht so gut zurecht-kommen. Werk-Stätten sind wichtig, weil sie Menschen mit Behinderungen oder mit Krankheiten eine Chance geben. Das führt zu Inklusion. Der Staat muss dadurch auch weniger Geld ausgeben. Menschen mit einer Arbeit müssen weniger Sozial-Leistungen bekommen.
Aber es gibt auch Sachen, die an den Werk-Stätten nicht so gut sind. Zum Beispiel: die klare Trennung zwischen den Werk-Stätten und den allgemeinen Arbeits-Markt. Die Menschen bekommen nur sehr wenig Geld. Sie bekommen nicht den Mindest-Lohn sondern nur ungefähr 1,35€ in der Stunde. Die Menschen in der Werk-Stätten arbeiten aber sehr viel. Die meisten arbeiten zwischen 30 und 40 Stunden in der Woche. Her Nannen sagt, dass das bedeutet, dass wir in einer Gesellschaft leben, in der Menschen mit- und Menschen ohne Behinderungen in 2 Klassen aufgeteilt sind.
Der Verein Werk-Statt-Räte Deutsch-Land e.V. möchte, dass das Problem von Ungleichheit weggeht. Sie haben einen Plan entwickelt, der „Basis-Geld“ heisst. Alle Menschen die den Status „dauerhaft erwerbsgemindert“ haben sollen das bekommen. Das sind alle Menschen die nicht mehr als drei Stunden am Tag auf dem allgemeinen Arbeits-Markt arbeiten können. Das Ziel ist: Menschen mit Behinderung sollen nicht mehr auf das System der Sozial-Leistungen angewiesen sein. Sie sollen ein Leben ohne Armut leben können. Herr Thewes erzählt uns, dass er von Menschen aus dem Ausland gehört hat, dass viele die Idee mit dem Basis-Geld gut finden. Das waren Menschen aus den Ländern Frankreich, Österreich und Luxemburg.
Wir haben am Ende des Interviews Herrn Nannen, Herrn Thewes und Frau Rosenbaum gefragt was sie sich für die Zukunft wünschen. Herr Nannen wünscht sich, dass sein Geld ausreicht. Und mehr Wert-Schätzung von der Gesellschaft. Er will von der Gesellschaft anerkannt werden und mitgenommen werden. Sie wollen auch dass die Werk-Statt zu dem allgemeinen Arbeits-Markt gehört. Leider ist das nicht so einfach. Frau Rosenbaum sagt, dass die Bezahlung vom Basis-Geld eine große Schwierigkeit sein kann.
Aber es kann auch sein, dass es anders ist. Mit dem Basis-Geld fallen viele Sozial-Leistungen weg. Es kann sein, dass das günstiger für den Staat ist. Wenn die Beschäftigten in den Werk-Stätten ordentlich bezahlt werden kann es gut sein, dass sie mehr arbeiten werden. Man muss auch die Frage stellen: Wie viel ist dem Staat die Würde der Bürger und Bürgerinnen wert?
Wir haben von dem Gespräch mit den Menschen von Werk-Statt-Räte e.V. viel gelernt. Wir haben über manche Sachen nachgedacht. Wie kann man den Leistungsdruck auf dem allgemeinen Arbeits-Markt weniger machen? Wie kann der Arbeits-Markt menschlicher und inklusiver sein? Reicht das Basis-Geld für eine gerechtere Gesellschaft? Kann man von den Werk-Stätten gute Sachen übernehmen? Kann man die Arbeits-Märkte vereinen? Eine Möglichkeit wäre, dass man die Bedingungen auf dem allgemeinen Arbeits-Markt verändert, damit auch Menschen mit Behinderungen da arbeiten können. Dann können Menschen mit- und ohne Behinderung zusammen arbeiten. Aber an die Situation von Menschen mit Behinderung wird fast gar nicht gedacht. Diese Unsichtbarkeit und Trennung müssen überwunden werden. Weil so wird die Gesellschaft inklusiver, gerechter und menschlicher. Und wir haben alle was von den Fähigkeiten von einander. Aber dahin ist es noch ein weiter Weg.